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Eltern-Team Porträt #3: Mama, Mami

Anica und Sonja leben und arbeiten in Karlsruhe und haben eine gemeinsame Tochter. Diesmal also ein Einblick, wie sich zwei Frauen als Eltern-Team ihren Family Load im Alltag teilen:

Wie stellt ihr die Kinderbetreuung sicher und wie viel Zeit habt ihr mit euren Kindern?

Anica: Wir haben das Glück, dass wir uns sehr einig sind in Bezug auf Arbeit und Kinderbetreuung. Ich arbeite Teilzeit als Grundschullehrerin und habe jetzt pünktlich zur Einschulung unserer Tochter sogar noch einmal 10 Monate Elternzeit genommen. Dass unsere Tochter schon in der Grundschule eine Ganztagesklasse besucht, käme für uns nur im Notfall in Frage. Ich genieße es sehr, nach der Schule einfach Zeit für sie zu haben. Meine Arbeit als Musikerin kommt der Kinderbetreuung nur selten in die Quere, da ich meistens entweder vormittags oder abends sowie am Wochenende eingespannt bin. Und da ist meine Frau für unsere Tochter da. Sie arbeitet zwar Vollzeit, übernimmt aber auch immer mal am Nachmittag die Kinderbetreuung, wenn bei mir Termine anstehen. Und die Bettgehzeit ist eine heilige Zeit für die beiden. Da mische ich mich nie ein! 

Wie habt ihr euch die Haushaltsarbeit genau aufgeteilt?

Sonja: Haushalt machen wir eigentlich so wie es gerade kommt. Unter der Woche macht Anica den größten Teil der alltäglichen Arbeiten, weil sie einfach mehr zuhause ist. Ich bin dafür eher für die Großprojekte zuständig: Grundreinigung im Bad usw. Eine richtige Aufteilung haben wir aber nicht; außer dass Anica immer kocht und ich immer den Abwasch mache. Das hat sich so eingebürgert, weil sie super gerne und sehr gut kocht… Schlechter Deal für mich: Ich koche weder gerne, noch mache ich gerne den Abwasch. 

Wie gelingt es euch, Zeit für euch persönlich bzw. für euch als Paar zu finden?

Anica: Wir haben schon früh immer mal wieder eine Babysitterin für Emma genommen, um die Gelegenheit zu haben, auch zu zweit auszugehen. Das ist nicht selbstverständlich für uns, weil wir keine Großeltern vor Ort haben, die mal eben schnell die Kinderbetreuung übernehmen. Außerdem haben wir von Anfang an darauf geachtet, dass unsere Tochter früh ins Bett geht. Ab 20 Uhr gehört der Abend nach wie vor uns. Da können wir dann auch mal über Dinge sprechen, die kein Thema für den Familienabendessenstisch sind. Einmal im Jahr gönnen wir uns ein gemeinsames Wochenende ohne unsere Tochter, die dann Urlaub bei Oma und Opa machen darf. Davon können wir als Paar immer noch lange danach zehren. 

Wie habt ihr die Elternzeit bzw. ersten Monate nach der Geburt der Kinder gestaltet?

Sonja: Wir haben die gemeinsame Anfangszeit sehr genossen und hatten die Chance in aller Ruhe auf das Elternsein einzustellen, da wir ein sehr tiefenentspanntes Baby hatten. In den ersten Monaten habe ich gearbeitet und Anica war mit unserer Tochter zuhause. Wir rückten aber in der freien Zeit schnell sehr eng zusammen. Nach fünf Monaten nahm ich dann auch Elternzeit und wir gingen gemeinsam auf eine größere Reise zu Freunden nach Mexiko und nach Vancouver. Anica war dann noch in Elternzeit bis unsere Tochter ca. 2 Jahre alt war. Dann kam sie rückwirkend betrachtet genau zum richtigen Zeitpunkt in die Krippe. 

Was sind eure Stärken als Eltern-Team?

Anica: Kommunikation. Ich glaube wirklich, dass uns das stark macht. Wir reden sehr viel über alles Mögliche miteinander und wissen immer gut Bescheid, was gerade bei der anderen ansteht. Wir nehmen uns Zeit füreinander und schauen, dass wir auch unsere Bedürfnisse als Paar/als Erwachsene befriedigen können und sich nicht immer alles zu 100% um unsere Tochter dreht. Davon profitiert sie, weil wir uns so gut als Familie zeitlich aber auch emotional organisieren können. Außerdem ergänzen wir uns gut und haben ähnliche Ansichten zu Erziehung. Das macht es einfacher, gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Von Vorteil ist sicherlich bei uns, dass eine heteronormativ geprägte Rollenverteilung oder Erwartungen an unsere Aufgaben dadurch wegfallen, dass wir zwei Frauen sind. Wir sind es also gewöhnt, unsere Aufgabenverteilung zu besprechen und auszuhandeln, sodass wir unsere Stärken in die Familie einbringen können. 

Welche Tools nutzt ihr genau, um euch zu organisieren?

Sonja: Wir haben einen gemeinsamen Kalender in der Cloud, in dem verschiedene Bereiche mit verschiedenen Farben codiert sind. Ohne diesen Kalender wären wir komplett aufgeschmissen. Außerdem haben wir eine Einkaufsliste in der Cloud und machen einen Speiseplan für die ganze Woche. Wer dann grad Zeit hat zum Einkaufen, weiß genau, was zuhause gebraucht wird. Und Miteinandersprechen ist ja irgendwie auch ein Tool – vielleicht sogar das Wichtigste überhaupt. 

Gibt es Dinge, die nicht so gut klappen? Wie geht ihr damit um?

Anica: Manchmal ist es schade, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Auch in stressigen Zeiten, an denen noch (Schreibtisch)Arbeit ansteht, wenn unsere Tochter schläft, trotzdem noch zwei Stündchen Zeit zu haben, das wäre dann toll. Ich kann nicht so gut warten. Wenn Sonja sich verspätet, weil auf der Arbeit noch ein Termin dazwischenkam, dann übe ich mich in Verständnis. Es gelingt mir manchmal, manchmal aber auch nicht. 

Sonja: Sich direkt nach der Arbeit gleich auf die Familie einzulassen, ohne mal kurz durchschnaufen zu können, ist manchmal anstrengend. Aber dann machen mir es die anderen beiden leicht, indem sie mit mir beim Abendessen sitzen und von ihrem Tag erzählen. Und am Wochenende gibt es manchmal klare Absprachen, wann ich noch arbeiten kann. Ich weiß also, dass ich mich in der Familienzeit auch ganz auf die Familie einlassen kann. 

Was ist euer bester „Eltern-Hack“, den ihr mit anderen teilen möchtet?

Sonja: Wenn ihr noch keinen gemeinsamen digitalen Kalender habt, wird es höchste Zeit! Da könnt ihr dann auch eure We-Time eintragen und behaltet den Überblick, wann ihr den/die Babysitter*in bestellt habt. 

Zum Abschluss: Warum ist aus eurer Sicht gleichberechtigte Elternschaft so wichtig?

Anica Ich finde gar nicht, dass „gleichberechtigte“ Elternschaft im Sinne von „beide arbeiten gleich viel und haben gleich viel Kinderzeit“ so wichtig ist. Was wichtig ist, ist, dass man ein Arrangement findet, mit dem sich beide Elternteile wohl fühlen. Denn jede*r hat ein unterschiedliches Bedürfnis danach, sich beruflich zu verwirklichen, Zeit für andere Dinge zu haben oder Kinderbetreuung zu leisten. Dass wir uns in dieser Hinsicht so gut ergänzen, ist unser großes Glück, was sicherlich nicht bei allen Paaren der Fall ist. Vielleicht ändern sich aber auch unsere Bedürfnisse irgendwann mal. Dann muss neu verhandelt werden. 

Mehr über Sonjas und Anicas Familie und andere Regenbogenfamilien erfahrt ihr in dieser schönen Doku in der ARD Mediathek: „Schwul, lesbisch, trans – CSD kämpft für mehr Vielfalt“.