|  Eltern   |  Was ist Mental Load? Und wie gelingt eine faire Verteilung?

Was ist Mental Load? Und wie gelingt eine faire Verteilung?

Schon während der Schwangerschaft gibt es für die werdenden Eltern viele neue Aufgaben:

  • Ultraschalltermine beim Frauenarzt vereinbaren („Oh schau nur, da schlägt schon das Herz!“)
  • eine Hebamme finden („Echt, Sie sind schon ein Jahr im Voraus ausgebucht?“),
  • eine Liste für die Baby-Erstausrüstung („Brauchen wir das Beistellbett wirklich? Die Nachbarin hat doch gesagt, ihr Kind hat eh bei den Eltern geschlafen?“) erstellen.
  • usw.

Kaum ist man mit dem geliebten Winzling zu Hause angekommen, geht es weiter mit den Entscheidungen („Wollten wir nicht Stoffwindeln machen wegen Nachhaltigkeit und so?“), Besorgungen („hab uns jetzt bei der Trageberatung angemeldet, Schatz“) und To-dos („Wir müssen das Kind noch für einen Kitaplatz anmelden!“ – „Im Ernst? Es ist doch erst eine Woche alt!“ – „Ja eben, wir sind spät dran!“).

Eins steht fest: Der Family Load wird erstmal nicht weniger je älter das Kind wird. Möchten bzw. müssen dann beide arbeiten, steigt die Komplexität des Familienmanagements. Genauso, wenn ein oder mehrere weitere Kinder dazu kommen. Im Idealfall – das zeigen Umfragen – möchten sich viele Paare sämtliche Aufgaben gleich aufteilen. In der Praxis sieht das jedoch anders aus, wie das aktuelle Dossier des BMFSJF zu „Kinder, Haushalt, Pflege – wer kümmert sich?“ aufzeigt – es dominiert das klassische Zuverdienermodell: Papa arbeitet Vollzeit, Mama Teilzeit, Mama managt die Familie, Papa hilft mit.

Die Ungleichverteilung von Aufgaben beginnt erst mit dem ersten Kind

Das Interessante an der Sache ist: Die meisten Paare haben schon vor der Geburt des ersten Kindes zusammengelebt und für viele ist es heute selbstverständlich sich dabei etwa die Hausarbeit in der gemeinsamen Wohnung gleichberechtigt aufzuteilen. Frauen kümmern sich heutzutage eigenständig um ihre Finanzen und Karriere. Männer gehen mit zum Geburtsvorbereitungskurs (Kurs raussuchen, anmelden, an Termine erinnern etc. läuft aber meist auch hier schon über Mama, oder wie war oder ist oder wäre es bei euch?). Doch spätestens mit der Elternzeit, die meist zunächst Mama für längere Dauer nimmt, entwickeln sich Routinen rund um Themenzuständigkeiten, die selten explizit abgesprochen werden. Und genau das ist der Knackpunkt!

Das Ergebnis: Wenn Mama nach der Elternzeit zurück in den Job geht, hat sie gegenüber Papa meist einen Kompetenzvorsprung rund um sämtliche Kinderthemen (Papa hat mittlerweile hingegen vielleicht einen Gehaltsvorsprung). Sie hat außerdem ein gutes privates Netzwerk – meist mit anderen Mamas – geknüpft, das sich nicht so leicht auf den Partner übertragen lässt. Hinzu kommen auf beiden Seiten die impliziten Rollenmuster, denen wir uns oft gar nicht bewusst sind, die ganz automatisch dafür sorgen, dass der Kindergeburtstag auch nach der Elternzeit meist von Mama geplant wird und sich selten Papas etwa um neue Kinderkleidung und -schuhe kümmern. Und genau hier liegt der Ursprung des vieldiskutierte Phänomens Mental Loads!

Was ist Mental Load?

Unter Mental Load versteht man quasi die nie enden wollende Liste an Punkten, die im Kopf permanent durchgegangen werden muss, damit das gesamte Familienmanagement im Alltag läuft. Und die auch nicht einfach wegfällt, wenn einer „mithilft“ und eine einzelne sichtbare Tätigkeit übernimmt. Beispiel: Essen kochen (eine sichtbare Aufgabe) bringt u.a. folgende unsichtbare und damit zusammenhängende Planungsaufgaben und Entscheidungsbedarfe mit sich: Überlegen…

1. Was soll es zu Essen geben (Essensplan aufstellen)?

2. Um wie viel Uhr essen wir (Zeiten im Blick behalten)?

3. Was muss dafür eingekauft werden (Einkaufsliste machen)?

4. Ist das geplante Essen gesund (Ernährungsgewohnheiten und Gesundheit im Blick haben)?

5. Hatten wir das nicht schon letzte Woche und machen doch lieber was anderes (Gesamtüberblick behalten)?

6. Ach, ist nicht noch was von gestern übrig und muss verwertet werden? (Vorräte im Blick haben)

7. Ich muss noch beim Kinderarzt anrufen, um die vermutete Allergie abklären zu lassen?

8. Wird es nicht Zeit fürs abstillen beim Jüngsten und wir starten mit Brei (einzelne Familienmitglieder und ihre Bedürfnisse im Blick haben)?

Und so weiter und so fort. Dieser kleine Comic, der der Phänomen unter diesem Begriff bekannt gemacht hat, bringt Mental load nochmal bildlich auf den Punkt: https://krautreporter.de/1983-du-hattest-doch-bloss-fragen-mussen/

Hinzukommt: Gefühls- und Erziehungsarbeit Care-Arbeit)

Ergänzt wird der Mental Load noch durch ein weiteres wichtiges Aufgabenpaket, nämlich durch die Gefühls- und Erziehungsarbeit. Am Beispiel von oben mit dem Essen: Den Kindern etwa nicht nur die fertige Mahlzeit hinstellen, sondern darauf achten, dass die Hände gewaschen sind, die Essensregeln am Tisch eingehalten werden, zuhören, trösten, Fragen beantworten, Wutanfälle beruhigen, mit der Sorge umgehen, dass sich jemand verschlucken könnte, und so weiter und so fort…

Der Mental Load und die Care-Arbeit liegen meistens bei Mama – das muss nicht so sein!

Gemeinsam hat das Paket „Gefühls- und Erziehungsarbeit“ mit dem Mental Load: Die Hauptverantwortung liegt in der Lebenspraxis der meisten (hetero-normativen) Elternpaare auch heute noch überwiegend bei Mama. Weil sie es von Anfang an mehr gemacht hat. Weil sie vielleicht so erzogen wurde, sich um diese Dinge zu kümmern. Weil es doch ums Kindeswohl geht. Weil sie weniger (bezahlt) arbeitet. Weil sie es besser kann (weil sie es mehr geübt hat).

Weiteres gemeinsames Merkmal: Sowohl Familienmanagement/Mental Load, als auch die Care-Arbeit sind unbezahlt, man bzw. frau erhält dafür eher wenig Anerkennung. Und: Die eingespielten Muster sind nicht so leicht zu verändern.

Am besten man macht das Ganze schon zum Thema bevor ein Kind hin zu kommt (auch wenn man da noch kaum ahnt, was alles auf einen zukommt) oder man fängt direkt schon während der Schwangerschaft an, sich den Familyload aufzuteilen. Doch jeder Zeitpunkt, etwas zu verändern, ist genau der richtige, egal wie alt das Kind ist/die Kinder sind!

Gleichberechtigte Elternschaft ist möglich!

Der Schlüssel zur gleichberechtigten Elternschaft liegt darin, auf beiden Seiten die Muster hinter den Routinen zu erkennen und zu besprechen, den unsichtbaren Mental Load transparent zu machen und ihn – Kompetenzvorsprung hin oder her – fair im Eltern-Team aufzuteilen. Darüber hinaus gilt es die Gefühls- und Erziehungsarbeit in die Hände beider Elternteile zu legen.

In diesem Zusammenhang ist ggf. auch das Überdenken der Aufteilung der Erwerbsarbeit (und damit des Financial Loads) oder von Elternzeiten nötig, aber nicht immer.Wichtig ist, dass die Neuverteilung zur individuellen Situation eines Elternpaares passt und dafür sorgt, dass

  1. die Hauptlast nicht auf den Schultern eines Elternteils ruht und sich somit niemand überlastet,
  2. beide ausreichend Zeit mit den Kindern verbringen können, um eine gute Bindung aufzubauen und die Kinder von beiden Eltern etwas haben,
  3. im Familienkalender auch Freiraum entsteht für Me-Time (=jedes Elternteil hat Zeit für sich allein und ohne Kinder) und für We-Time (= Zeit als Paar und ohne Kinder)!

Vorteile für beide Seiten

Birk Grüling schreibt in seinem 2021 erschienenen Buch zu „Eltern als Team – Ideen eines Vaters für gelebte Elternschaft“: „Noch nie standen unsere Chancen besser, mit alten Werten zu brechen, der Last des alleinigen Ernährers zu entfliegen und die eigene Vaterrolle neu und anders zu gestalten“ und verweist unter anderem auf den Bestseller von Bronnie Ware „Fünf Dinge, die Sterbende am meiste bereuen“, in dem fast alle Väter darüber klagen, zu viel gearbeitet und zu wenig Zeit mit der Familie verbracht zu haben.

Volker Baisch, Gründer und Geschäftsführer der Väter gGmbH schreibt auf LinkedIn: „Mental Load ist DAS Thema der Stunde“ und regt Unternehmen zu Mental-Load-Seminaren an, in denen Eltern die Gelegenheit erhalten, sich mit einer gerechten Lastenverteilung auseinanderzusetzen.

Auch meine persönliche Erfahrung als Leiterin des Themas Diversity in einem großen Tech-Unternehmen zeigt: Hier liegt ein wichtiger Schlüssel zur Vereinbarung von Familie und Beruf und davon profitiert nicht zuletzt auch die Wirtschaft und eure Karriere.

Eltern als Team – mein Kursangebot für euch

Los geht’s: Mit den neun Aufgaben aus dem „Eltern als Team“-Kurs, erarbeitet ihr euch schrittweise das Ziel einer gleichberechtigten Elternschaft. Ihr erhaltet konkrete Anleitungen zur Reflektion von persönlichen Erwartungen und Prägungen und umschifft typische Fallen, die bei der Aufteilung der Aufgaben entstehen können (z.B. ist denn überhaupt klar definiert, was alles zur Erledigung einer jeweiligen Aufgabe gehört?). Den Kursleitfaden könnt ihr individuell als Paar buchen (Eltern als Team „to-go“ ) oder als Gruppenangebot (Eltern als Team – plus) buchen. Hier geht’s zur Anmeldung und zu Stimmen zum Kurs.